Ein gutes Team – und wie man es leitet…

„Toll! Ein anderer macht’s“.

So lautet häufig der sarkastische Kommentar, wenn von Teamwork die Rede ist. Mit der Wendung des Begriffs Team zu einem Akronym, dass von Faulheit und Egoismus erzählt, liegt allerdings ein Finger in der Wunde. Durch ihren inflationären Gebrauch haben die vier Buchstaben jene Strahlkraft verloren, die sie für die Bezeichnung einer besonders effektiven Form der Arbeitsorganisation als T-e-a-m einst besessen haben.

Die Unschärfe des Begriffs ist nicht nur theoretisch ärgerlich. Sie kann in der Praxis zu großen Irritationen, schweren Missverständnissen und bitteren Enttäuschungen führen. Denn was genau eine Gruppe von Menschen zu einem Team macht, wird in der Zusammenarbeit nur selten bewusst reflektiert. Weit häufiger führt das Verständnis von guter Kooperation entlang persönlicher Bedürfnisse und Wünsche. Diese oft emotionalen Koordinaten bilden die Grundlage für einen subjektiven Behaglichkeitsfaktor, der sich bei der täglichen Zusammenarbeit – mal mehr und mal weniger – einstellt. Als Teamfähig erweisen sich dabei je nach Konsistenz der Koordinaten jene Kolleginnen und Kollegen, die dieses Wohlbefinden stärken. Ein derart gefühltes Verständnis von Teamwork bleibt allerdings beliebig und verschließt als bloß subjektive Theorie sinnvolle Optionen der Arbeitsorganisation.

Einen guten Ansatz für ein aufgeklärtes Verständnis eines guten Teams bietet eine von Eberhard Stahl entwickelte Gruppentypologie, auf die ich mich im Folgenden – begrifflich leicht modifiziert – beziehen werde. Sie bietet vier alternative Vorstellungen gelingender Kooperation, die maßgeblich die Organisation von Teams beeinflussen können. Besonders reizvoll an dieser Typologie ist die Beschreibung der besonderen Vorzüge und Risiken, die spezifische Gruppenkonstellationen mit sich bringen. Somit gibt es keine richtigen und falschen Theorien bezüglich der Organisation von kontinuierlicher Kooperation, sondern funktionale und dysfunktionale Vorstellungen.

Die Typologie von Eberhard Stahl weist für die Leitung von Teams keinen Königsweg aus. Sie bietet Führungskräften vielmehr die Gelegenheit, die eigenen Vorstellungen über gelingendes Teamwork zu überprüfen, um schließlich einen eigenen Weg für sich und ihr Team zu finden. Auf diesem Weg gilt es die Attraktionen aller vier Gruppentypen situativ für die Organisation der Zusammenarbeit im Team zu nutzen.

Wenn es um das Gefühl geht – Die Gemeinschaft

Ein gutes Team, so lautet eine weit verbreitete Meinung, könne man an einem wertschätzenden und respektvollen Umgang der Teammitglieder untereinander erkennen. Nach diesem Verständnis lebt ein Team vor allem von der Beziehungsqualität. Sie bildet die Grundlage für ein starkes Gemeinschaftsgefühl, das sehr sensibel auf Klimaschwankungen reagiert. So wird etwa jede Form der Kritik in oder an der Gruppe als Störung identifiziert und im Ansatz eliminiert.

Für die Teamleitung steht die allgemeine Stimmungslage in der Gruppe im Fokus. Es gilt ein unausgesprochenes Wir-Gefühl zu definieren und zu schützen. Aus einer Gemeinschaft kann so eine verschworene Gemeinschaft geformt werden, welche Verbundenheit über besondere Rituale und überlieferte Erzählungen erzeugt. Zwischenmenschliche Nähe und eine große Kontinuität im Aufbau und Ablauf der Organisation sorgen für Geborgenheit. Die Teamleitung ist vor allem gefordert, dieses Prinzip der Nestwärme nach innen und außen zu verteidigen.

Wenn es um die Sache geht – Die Truppe

Nach einer anderen subjektiven Theorie dreht sich gute Zusammenarbeit ausschließlich um die Sache. Ein Team funktioniert dann, wenn persönliche Bedürfnisse und Ansichten konsequent gemeinsamen Zielen untergeordnet werden. Selbstdisziplin und Sachlichkeit genießen ein hohes Ansehen. In einer weitgehend durchstrukturierten Organisation sind Kreativität und Emotionen nicht gefragt. Diskussionen und Kontroversen bleiben unerwünscht. Im Gleichschritt wird marschiert.

Für eine Truppe sind konstante Rahmenbedingungen und klar definierte Abläufe wichtig. Es bleibt die Aufgabe der Teamleitung, für diese stabilen Bedingungen zu sorgen. Es gilt klare Regeln zu definieren und deren Einhaltung zu überwachen. Die Autorität der Teamleitung basiert auf fachlicher Kompetenz und einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Sie verfügt Kraft ihres Amtes über Möglichkeiten zur Belohnung besondere Leistung und der Bestrafung individuellen Fehlverhaltens. Erfolg wird über objektive Parameter gemessen. Er legitimiert schließlich eine starke Position der Teamleitung.

Wenn es um jeden Einzelnen geht – Der Haufen

Entgegen einer klaren Struktur von Aufbau und Ablauf der Zusammenarbeit ist in einem Haufen die Kollaboration durch eine betonte Individualität geprägt. Erfolg wird hier nicht als Folge einer reifen Unternehmensorganisation verstanden, sondern als Resultat sich addierender Kompetenzen autonomer Persönlichkeiten. Trotz der formalen Zugehörigkeit zu einer Gruppe, wird in dieser Form der Kooperation die individuelle Eigenverantwortung und persönliche Unabhängigkeit großgeschrieben. Organisatorischer Freiraum und kreativer Eigensinn haben hier eine motivierende Qualität.

In dieser zentrifugalen Konstellation ist die Teamleitung auf ein Drahtseil eingeladen. Einerseits gilt es in dieser lockeren Formation in der Organisation die notwendige Luft zum Atmen zu erhalten. Anderseits sind Bindungskräfte zu entfalten, welche über die bloße Addition von Einzelleistungen jene Synergieeffekte absichert, die Teamarbeit verspricht. Mit großem Fingerspitzengefühl gilt es immer wieder Knotenpunkte zu knüpfen, um persönliche Interessen und Bedürfnisse zu einem gemeinsamen Ergebnis zu verschmelzen. Akzeptanz gewinnt dabei eine Führungskraft allerdings erst, wenn Sie selbst im hohen Maße eigenverantwortlich und unabhängig handelt.

Wenn es um ambitionierte Ziele geht – Das Gespann

Ein Gespann entwickelt sein enormes Potenzial in koordinierten Aktivitäten. Die besondere Charakteristik dieser Organisationsform lässt sich etymologisch herleiten. In altenglischer Sprache wurde ein Gespann als Team bezeichnet, wenn die zielgerichtete Verknüpfung von individuellen Leistungen durch eine besondere Beziehung der Leistenden getragen wurde. So verweist das Wort ‚Team‘ in seiner sprachlichen Wurzel auf familiäre Bezüge. Ein Gespann beschreibt demnach eine von Zugehörigkeit und Emotionen getragene Organisationsform, deren koordiniertes Vorgehen wesentlich durch die soziale Einbindung und Absicherung jedes Einzelnen getragen wird. So bietet Arbeit im Gespann auch heute noch mehr als betriebswirtschaftlich berechenbare Synergieeffekte. In ihr findet sich eine spirituelle Komponente, die als Teamgeist bei der Arbeit Sinn vermitteln kann.

Ein Gespann ist der konfliktträchtigste Gruppentyp. Es gerät aus dem Takt, wenn die gemeinsame Richtung unklar ist und die Ziele zweifelhaft werden. Tritt man sich dann auf die Füße, kann die Stimmung kippen. Die Teamleitung ist damit primär in der Sorge für gemeinsame Ziele gefordert, deren Qualität vor allem in ihrer Sinnhaftigkeit von Bedeutung ist. Die Führung eines Gespanns erfordert viel Kommunikation, ein hohes Maß an Konfliktbereitschaft und moderative Kompetenzen. Der Lohn der aufwendigen Führungsarbeit liegt in der enormen Zugkraft eines funktionierenden Gespanns.

Wenn es um Alles geht – Ein Team situativ leiten

Die hier idealtypisch skizzierten Gruppentypen finden sich in der Praxis stets in Mischformen. Das Profil dieser Formen wird allerdings weniger durch die jeweiligen Gegebenheiten und Notwendigkeiten als durch die persönlichen Vorlieben der handelnden Personen – insbesondere der Teamleitung – bestimmt. Entlang ihrer Wünsche und Bedürfnisse werden Vorgaben formuliert, welche die Zusammenarbeit gestalten.

Wer Harmonie schätzt und die Nähe zu seinen Mitmenschen sucht, wird versuchen die Gruppe zu einer verschworenen Gemeinschaft zu verschmelzen. Wer hingegen Ordnung und Disziplin für Primärtugenden hält, wird an dem Aufbau einer straff organisierten Truppe arbeiten. Die persönliche Sehnsucht nach Autonomie und Flexibilität setzt hingegen dort gestalterische Kräfte frei, wo sich die Tür für eigene Wege und individuelle Lösungen öffnet und sich ein lockerer Haufen formieren lässt. Menschen, die hingegen Erfolg als Folge individuellen Könnens und verantwortlichem Handeln verstehen und Kollegialität als motivierendes Element erfahren, werden kontinuierlich an einem guten Gespann arbeiten.

Eingebettet in diese persönlichen Vorstellungen wird dann jenes Gruppenprofil als Team erlebt und bezeichnet, das den persönlichen Bedürfnissen am ehesten entspricht. Mit etwas Glück funktioniert diese Konstellation. Die Wahrscheinlichkeit dieser zufälligen Passung der Welt mit subjektiven Vorstellungen und Bedürfnissen ist allerdings schon deshalb gering, weil eine gute Zusammenarbeit spezifische Qualitätsmerkmale von allen Gruppentypen braucht.

Eine professionelle Teamleitung weiß um die Fallstricke ihrer subjektiven Perspektive. Es gelingt ihr über die persönlichen Präferenzen hinaus, ein Team situativ zu führen. Sie ermöglicht das Erleben von Gemeinschaft dort, wo es notwendig ist – und zwar für jene, für die es wichtig ist. Sie sorgt für Disziplin und Sachlichkeit in jenen Handlungsfeldern, die Disziplin und Sachlichkeit erfordern. Sie lässt dort Freiräume, wo Kreativität und Eigenverantwortung wichtig werden und definiert komplexe Arbeitszusammenhängt ausdrücklich als Teamsituationen, in dem sie in der sinnvollen und verbindlichen Vereinbarung von Zielen Konflikte zulässt und klärt.

Die Handschrift einer professionellen Teamleitung zeigt sich in einem geschärftem Gruppenprofil, das nicht im Spiegelkabinett der Persönlichkeitsstruktur entsteht, sondern entlang der Qualitätsmerkmale alle vier Gruppentypen die Arbeitsorganisation situationsbezogen definiert. Jenseits aller subjektiven Theorien über das Wesen eines Teams beschreibt diese Möglichkeit nach meinen Erfahrungen den besten Weg, ein Team erfolgreich zu leiten.

 

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